Drachenblut – Literarische Erörterung – Kapitel 7 S.88-90- - - - - -
Analysiere Claudias Position zum Kinderkriegen! Wie bestimmt ihre Erfahrung der Schwangerschaft ihre Beziehungen und ihre Sicht auf die Männer? Die Novelle „Der fremde Freund“ von Christoph Hein wurde 1982 in der DDR veröffentlicht und des Titelschutzes wegen 1983 in der Bundesrepublik als „Drachenblut“ publiziert. Die Hauptthematik der Novelle ist vor allem das Verspüren starker Entfremdung im Leben der alleinstehenden Ärztin Claudia und ihre Sicht auf Beziehungen und Männer im Allgemeinen. Im Textausschnitt von Kapitel 7 auf den Seiten 88-90 spricht Claudia über ihre Erfahrungen zum Kinderkriegen – Schwangerschaften und über ihre damalige Ehe zu Hinner. Die Frage, die sich dabei stellt ist, inwiefern diese Erfahrungen der Schwangerschaft ihre Beziehungen und ihre Sicht auf die Männer bestimmt? Um diese Frage beantworten zu können, sollte man zum Ersten Claudias Position analysieren. Dieser Textausschnitt beinhaltet ganz klar die Idee, dass Claudia sich auf keinen Fall auf die Mutterrolle einlassen möchte und die Mutterschaft als Reduzierung und Entmachtung ansieht. Dies erkennt man daran, dass sie die Schwangerschaft und das Kinder kriegen mit dem Entwickeln ihrer Fotos vergleicht. In der Dunkelkammer fühlt sie sich als Schöpferin und sie fühlt sich vor allem am Prozess beteiligt. In dem Moment hat sie ihr Leben und das, was sie damit anfängt, selbst im Griff: „Das ist für mich ein Moment von Schöpfung, von Erzeugung. […] Zeugung. Eine Chemie von entstehendem Leben, an dem ich beteiligt bin.“ (S.88, Z.9/13-14) Claudia assoziiert diese Überlegungen automatisch mit ihren Schwangerschaften, in diesen Momenten ihres Lebens fühlte sich die Ärztin vor allem unbeteiligt. Sie erinnert sich deshalb an ihre zwei Abtreibungen als etwas Selbstverständliches: es ging ihr damals wie jetzt, um ein selbstbestimmtes Leben als Frau. Doch sie fügt noch nebenbei hinzu, dass sie verzweifelt war. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese schwerwiegenden Abtreibungen doch nicht einfach so an ihr vorbeischweiften. Es scheint typisch für Claudia, dass sie ihre wahren Empfindungen, ihre Verletzungen immer wieder hinter rationellen Argumenten zu verstecken versucht. Claudia wiederholt mehrmals klar und deutlich, dass sie keine Schuldgefühle verspürte was diese heranwachsende Embryos angeht und dass sie nie etwas für diese „ungeborenen“ Kinder empfunden hat. Gerade diese Wiederholung könnte aber auch auf ein unbewältigtes Problem hinweisen. Sie empfindet die Situation als Degradierung zum Sexualobjekt und zur Gebärmaschine. Claudia behauptet nämlich, nie Kinder gewollt zu haben und fühlt sich daher von ihrem damaligen Ehemann Hinner benutzt und vor allem hintergangen. Folgende Textstelle stärkt die vorherigen Behauptungen „Die Amme seiner Embryos. Ich hatte kein Kind gewollt und er konnte es dennoch in mir Entstehen lassen. Ich blieb ungefragt, ich zählte nicht, ich war nicht beteiligt, ich war das Objekt.“ (S.89, Z.11-14) Die Tatsache, dass sie das Possessivpronomen „seine“ benutzt, zeigt ihre emotionale Distanz. Sie sieht das entstehende Leben nie als Teil von sich selbst. Sie bezeichnet sich auch nicht als „Mutter“, sondern als „Amme“, die lediglich eine berufliche Beziehung zum Kind hat. Zu guter Letzt beschreibt Claudia dem Leser ihre abgebrochenen Schwangerschaften mit den Abtreibungen als demütigende Erfahrung. Erneut stellt sie sich als Objekt dar, das an etwas teilnehmen muss und sich auch hier wieder nicht daran beteiligt fühlt: „Ich hatte nichts mit seinem Kind zu tun. Ich bekam es so unbeteiligt, wie es aus mir entfernt wurde.“ (S.90, Z.29-31) Diese grundlegende Erfahrung in ihrer Jugend prägt alle ihre Beziehungen zu Männern. In dem angegebenen Textausschnitt wird dem Leser sehr deutlich gezeigt, dass es sich bei Claudias Ehe mit Hinner eigentlich um einen Widerspruch gehandelt hat. Sie sieht das Ganze als einen Jugendfehler. Sie spricht nämlich von dieser ungewollten Schwangerschaft als sei es ein „monströser Eingriff“ gewesen, jedoch fügt sie hinzu, dass sie gerne mit Hinner schläft. Zudem erklärt die Ärztin, dass die Verhütung und die Konsequenzen der Sexualität alles eine Frauensache seien. Diese Idee kann man erkennen als sie erklärt: „Hinner war erschrocken, als er ins Krankenhaus kam. Ich hatte ihm vorher nichts gesagt, […]“. (S.88, Z.27-28) Wie so oft scheint sie zu denken, dass die Frau sich ganz alleine auf sich selbst verlassen muss. Es gibt keine richtige Kommunikation zwischen ihr und ihrem damaligen Mann. Zudem hat diese Erfahrung der Schwangerschaft dazu beigetragen, dass Claudia sich selbst und die Frauen im Allgemeinen nur als Objekt im Sexualleben ansieht. Hinzu kommt ihre dauernde Angst und Weigerung, sich anderen Menschen in einer Beziehung zu öffnen, vor allem, da sie sich von Hinner benutzt und hintergangen gefühlt hat. Daher kommt womöglich auch die Abmachung mit Henry, sich nicht weiter näher zu kommen. Außerdem hat diese Abtreibung und die Verweigerung der Mutterrolle dazu beigetragen, dass sich Hinner von ihr getrennt hat: sie hat es nicht auf die Reihe gebracht, kleine „dicke Kinder“ auf die Welt zu bringen. Jedoch wurde nicht nur Claudia hintergangen, sondern es gab auch einen Vertrauensbruch in der Beziehung aus der Sicht von Hinner – er hätte ja vielleicht gerne ein Kind gehabt, vielleicht auch nicht, aber sie hätte ihn fragen können. Natürlich bestimmt dies auch ihre Sicht auf die Männer. Claudia sieht die Männer als übergeordnete Wesen, sie akzeptiert die Herrschaftsstrukturen. Und sie bewundert auch die Freiheit, die sie sich nehmen können. Für sie ist es selbstverständlich und normal, dass die Männer ihre Macht durch den Verlust an Menschlichem ausüben. Das männliche Geschlecht sei dazu bestimmt, nur an sein Sexualleben zu denken und sei daher auch verdammt, sich vor diesem Versagen zu fürchten. Dieser sexuellen Gewalt als Herrschaftsmittel begegnet sie mehrmals im Berufs- und im Privatleben. Beispiele wären Onkel Paul, der Claudia einfach so an die Brüste fasst, aber auch Fred mit seinen Machtspielchen bei seiner Frau Maria und der ältere Patient der Ärztin, der sie sogar ungeniert nach ihrem Sexualleben mit Henry ausfragt. Claudia erwähnt sogar indirekt die Prostitution, sie vergleicht Ehen oder feste Beziehungen damit, indem sie von ihrer Freundin Anne spricht: diese Frau wird mehrmals von ihrem Ehemann vergewaltigt, doch als Wiedergutmachung bekommt sie teure Geschenke. Anne ist in ihrer Ehe gefangen, ihr einziger Ausweg ist die Hoffnung, dass „es sich legt“ bei ihrem alternden Mann. So weit will Claudia es nie kommen lassen, dass sie einem anderen wegen ihren Gefühlen ausgeliefert ist. Eine Art Bewunderung ist auch wiederzufinden. Claudia genießt einerseits auch zu beobachten, wie die verschiedenen Männer ihre Frauen ausnutzen und mit ihnen umgehen. Ihre persönliche Lösung ist in dieser Hinsicht die Abmachung mit Henry, sie denkt, dass dann niemand irgendwelche Verpflichtungen hat, niemand irgendwem *gehört *(wie nach einer Hochzeit) und niemand verletzt werden kann. Schlussfolgernd kann man also feststellen, dass dieser Textausschnitt aus Kapitel 7 uns sehr viele Informationen über Claudias Position zum Kinderkriegen und ihre Sicht aufs Leben und Beziehungen liefert. Dem Leser wird deutlich, dass Claudia die Mutterrolle nicht nötig hat, vor allem da sie ihre Karriere als Ärztin –ihre Unabhängigkeit– niemals für ein Kind aufgeben würde. Zudem möchte auch sie die Welt mit Männeraugen sehen und legt daher auch keinen Wert mehr auf eine Ehe und Liebe, sie gibt sich mit dem Sexualleben mit Henry –mit dem Leben auf der Oberfläche– zufrieden.